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Version vom 19. Juli 2006, 13:46 Uhr
Kleine Fibel der Modellbahnfotografie
Wer die folgenden vier Punkte beachtet, erzeugt bald sehenswerte Abbildungen von der liebevoll aufgebauten Modellbahn. Es handelt sich um Tips für Fortgeschrittene, die nicht in der Bedienungsanleitung der Kamera stehen. Das Wissen, wie man die Belichtungszeit einstellt oder den Weißabgleich durchführt, wird vorausgesetzt.
Kurzformel für Profis:
- Sorgfalt bei Arrangement und Hintergrund spart mühsame Retuschen
- tiefen Kamerastandpunkt wählen
- Ausleuchten wie im großen Studio: Grundlicht, Führungslicht, Spitzen, Hintergrund
- Großaufnahmen mit Makro-Linse, Abblenden für Tiefenschärfe
Inhaltsverzeichnis
Das Arrangement - Tüfteln, Tarnen und Täuschen
Mindestens die halbe Zeit für ein gutes Foto geht beim Vorbereiten und Herrichten der gesuperten Miniaturobjekte drauf. Hochauflösende Großaufnahmen enthüllen jedes Staubflöckchen, jeden unsauber verlegten Draht, jeden Fingerabdruck auf den Scheiben oder glatten Flächen, jeden noch so kleinen optischen Makel. Diese Dinge fallen auf Fotos wesentlich mehr auf als "in der Natur", weil ein begrenzter Ausschnitt der Anlage statisch hervorgehoben wird; nichts lenkt ab. Hier also Sorgfalt walten lassen. Vieles kann man geschickt durch den Blickwinkel oder durch Verstecken hinter Gegenständen (Büsche, Zweige, Maste, Laternen, Litfaßsäulen) kaschieren.
Alle Lichter und Waggonbeleuchtungen einschalten nicht vergessen. Toll und lebendig sieht es auch aus, wenn es aus den Schornsteinen dampft. Dampf und (heller) Rauch kommt am besten vor dunkleren Teilen des Hintergrunds (Tannen, Fassaden), von hinten extra mit einem kleinen, versteckten LED-Punktstrahler beleuchtet (kann ruhig einen Stich ins Bläuliche haben). Keiner mag den mit Photoshop getürkten Qualm mehr sehen, wie er in U.S.-amerikanischen Modellbahnzeitschriften auf fast jedem Foto zu finden ist. Den dynamischen Fahrtwind erzeugt man am besten mit der in jeder Lunge eingebauten, wohldosierbaren Windmaschine, wie man es beim Ausblasen der immer zahlreicher werdenden Kerzen auf den Geburtstagstorten gelernt hat.
Besser als die Heizungsrohre des Kellers schaut zumindest eine himmelblau leuchtende Wand (Tafel, Tuch) als Hintergrundkulisse aus. Man kann einen schönen Background zwar auch später mit dem Bildbearbeitungsprogramm elektronisch einblenden, aber ein perfektes und sauberes Freistellen des Vordergrunds gelingt auch mit Software-Hilfe nur mit einigem Expertenwissen und Aufwand. Besser ist es, man kümmert sich bereits beim Fotografieren (und natürlich beim Anlagenbau) darum. Weiter unten gibt es noch mehr Tips für den Hintergrund.
Alles eine Sache des Standpunkts
Der Fehler, alles von schräg oben aufzunehmen, ist naturgemäß recht häufig bei Fotos von Modellbahnen. Schön ist das nur bei Übersichts-Totalen, die man aber eher selten einsetzen sollte (fehlen dürfen sie jedoch keinesfalls). Der Reiz liegt in den Details und in abwechslungsreichen Motiven.
Erste Regel bei Großaufnahmen also: Runter mit der Knipse, - möglichst bis auf Augenhöhe der Modell-Figuren, auch wenn das manchmal gar nicht so einfach ist, und wenn dafür ein paar Gegenstände vorübergehend abgebaut werden müssen. Die Belohnung für die Mühen: Beeindruckende und reizvolle Ansichten durch raffinierte und "vorbildgerechte" Blickwinkel, wie man sie selbst im realen Betrieb nur mit Verrenkungen erleben & genießen kann!
Sehr hilfreich bei diesem Unterfangen ist eine kleine, kompakte Kamera, die man eventuell sogar unter die Drähte der Oberleitungen bekommt. Praktisch ist auch ein schwenkbares Sucher-Display oder zur Not ein Kabel, welches das Sucherbild auf einen externen Monitor überträgt.
Der Aufnahmestandpunkt ist bei längeren Serien entscheidend für eine spannende, unterhaltsame Bildabfolge. Es gibt tausend Möglichkeiten, eine Köf abzubilden. Fantasie spielen lassen, Kamera bewegen! Senkrechte oder waagrechte Linien vermeiden, perspektivische Schrägen, Tiefe erzeugen.
Wieso nicht mal den Apparat in den Tunnel legen, nach draußen fotografieren und das moosbewachsene Portal als Schattenriß-Bildrahmen mißbrauchen? Brücken, Viadukte, schmale Ortsdurchfahrten der Neben- oder Straßenbahn bieten fabelhafte Einblicke, wenn man es nur schafft, das Aufnahmegerät für ein paar Sekunden an den entsprechenden Stellen zu fixieren. Gerade für versierte Modellbahner ist es bestimmt kein Problem, hier provisorische Halterungen einzurichten. Sobald das fotografische Dokument gelungen ist, kann ruhig alles zusammenbrechen :-)
Die hohe Auflösung moderner Digitalkameras macht sich hier positiv bemerkbar: Das Gerät mag ein wenig schief stehen oder unerwünschte Objekte mit einfangen, - durch die vielen Pixel hat man dann im Zuge der Nachbearbeitung einen gewissen Spielraum (Drehen, Schneiden).
Es werde Licht!
Die Beleuchtung ist das halbe Foto. Mit dem eingebauten Blitz die hübschen Objekte von vorne anzuklatschen, sollte nur den Ausnahmefall darstellen. Meistens werden damit - neben dem "flachen" Bildeindruck - auch noch unschöne und störende Reflexionen hervorgerufen. Solche Fotos haben höchstens informellen aber kaum ästhetischen Wert. Also Blitz abstellen, Neonleuchten im Raum vermeiden!
Wesentlich schöner werden die Aufnahmen, wenn man mit Licht und Schatten ein wenig spielt und damit den optischen Eindruck der kleinen, schmucken Wunderwerke dramatisch verstärkt. Das ist gar nicht so schwer! Sämtliche Profi-Fotografen und -Kameraleute zaubern in erster Linie mit den Scheinwerfern und nicht mit den fünf Millionen Funktionen ihrer Kameras oder Nachbearbeitungseinrichtungen. Hier ein kleiner Crash-Kurs für Schönbildfänger:
Für den Anfang tun es zwei oder drei Schreibtischlampen (oder Videoleuchten), die auf verdrehbaren Gelenken montiert sind, auf möglichst schmalen, höhenverstellbaren Sockeln stehen, und die man auch gut in die Hand nehmen kann. Günstig wäre noch, wenn man die Lampen "abtoren" könnte, das heißt, den Lichtaustritt nach vorne in bestimmte Richtungen begrenzen, abschatten. Versierte Bastler schnitzen aus schwarzem Karton oder Blech bestimmt eine brauchbare Lösung, unter der aber die ausreichende Belüftung des Leuchtmittels nicht leiden darf.
Empfehlenswert sind Halogenlampen, die es auch in den gängigen Glühlampenformen für 230 Volt mit E27- respektive E14-Schraubfassungen gibt. Diese Lampen sind zwar deutlich teurer, geben aber ein helleres und saubereres Licht. Da sie zudem eine etwa doppelte so lange Lebensdauer wie vergleichbare Glühlampen haben, relativiert sich der Preis. Wichtiger Punkt ist, daß 230 V Halogenlampen - im Gegensatz zu Niedervolt-Halogenlampen - mit jedem Dimmer verwendet werden können, da keine induktive Last durch einen Trafo existiert. 230 V Halogenlampen gibt es auch mit integriertem Reflektor. Optimal für geführtes Licht.
Entsprechend ambitionierte Amateure finden leider keine fertigen und erschwinglichen Geräte am Markt. Sehr kleine, kompakte Scheinwerfer für den besprochenen Einsatzbereich gibt es für professionelle Anwender von der Firma Dedolight, eine Basis-Ausstattung kostet allerdings etwa zwei- bis dreitausend Euro. Man kann die Teile in vielen Städten bei Ausrüstern der Film- und Fernsehproduzenten aber auch tageweise mieten. Praktisch sind auch Akku-Leuchten, da die Stromkabel oft im Weg sind.
Für Tageslicht-Simulation (wer kann seine H0-Anlage schon ins Freie tragen?) zunächst eine weiche, allgemeine "Lichtdusche" herstellen, die fast keine oder nur ganz unscharfe Schatten produziert. Dazu eignen sich zum Beispiel indirekte (bei weißen Mauern) Deckenfluter oder Butterbrotpapier (als Weichzeichner) vor einem starken Leuchtmittel ("matt" mit Milchglas); Vorsicht, daß nichts anbrennt! Brauchbar sind ein oder mehrere Styroporplatten als Reflektoren, wenn es keine weißen Wände/Decken gibt. Wenn es denen zu warm wird, riecht man das, bevor es brennt. Den Mindestabstand einzuhalten dürfte auch deutlich einfacher sein.
Für das Grundlicht lassen sich Baustrahler einsetzen. Vorteile: Mit 500 Watt ausreichend stark auch für reflektiertes Licht, werden im Set mit Stativ inklusive Dreh-/Neige-Möglichkeit geliefert, sehr preiswert im Vergleich zu Fotoprodukten. In jedem noch so kleinen Film- oder Fotostudio ist übrigens zumindest ein gefüllter Wassereimer samt Löschdecke behördlich vorgeschrieben. Eingeschaltete Brenner, Strahler und Scheinwerfer niemals unbeaufsichtigt lassen! Vor dem Umfallen sichern, Kabel gut verlegen und am Boden mit Klebeband befestigen.
Mit diesem Grundlicht sollte alles von vorne bis hinten gleichmäßig aufgehellt werden. Damit kann man schon Fotos machen, die der Lichtstimmung "wolkig, stark bedeckter Tag" entsprechen. Aber wir wollen doch die Sonne scheinen lassen, nicht wahr? Damit sieht alles gleich viel freundlicher aus, und wir können dramatische Akzente setzen:
Der Ausschnitt, der abgelichtet werden soll, bekommt also mit den Schreibtischleuchten (eher hartes, direktes, gebündeltes aber doch gleichmäßiges Licht) eine gründliche Spezialbehandlung. Das "Führungslicht" ist die Haupt-Lichtquelle und übernimmt die Rolle der Sonne. Für diese Lampe einen Standpunkt von (schräg) oben suchen, bei dem die Strukturen und Profile der abzubildenen Flächen durch klitzekleine Schlagschatten möglichst dreidimensional hervorgehoben werden.
Nieten und Holzmaserungen, Zierleisten und geätzte Schilder, Mauerwerk, Fensterrahmen und Fassadenelemente, Lüftungsgitter, Haltestangen und Leitungsrohre, Fels-, Gesteins- und Schotterstrukturen, Gräser, Büsche, Zäune, Hecken, Blumenbeete und so weiter treten erst dann richtig hervor, werden plastisch und "lebendig", wenn man für das Führungslicht den idealen Einfallswinkel gefunden hat. Einer der ganz wichtigen Punkte bei der künstlerisch wertvollen Modellbahnfotografie! Also wieder mal: Ausgiebig probieren, mit der Lampe in der Hand ein wenig herumfuchteln und den Lichtstrahl wandern lassen, bis die erwähnten Effekte wirksam werden. Man sieht das ganz deutlich mit bloßem Auge; da können ein paar Zentimeter sehr viel ausmachen! Mit der Zeit wächst die Erfahrung.
Oft wird sich diese Lichtquelle zwischen der Kamera und den Hauptdarstellern befinden, was die räumliche Tiefe anbelangt (Höhe und Schräge variabel, siehe nächste Absätze). Die berühmt-berüchtigte "Gelingt-immer"-Formel: Sonne von hinten, im Rücken des Fotografen, bringt leider selten die beschriebenen und optisch sehr wertvollen Oberflächenstrukturen zutage. Jeder kann das sofort ausprobieren: Man nehme ein schönes, detailliertes Lok- oder Gebäudemodell in die Hand und halte es direkt unter die nächstbeste stärkere Schreibtischlampe. Nun dreht man es ganz langsam um die Längsachse und kann dabei beobachten, wie die beschriebenen Elemente je nach Einfallswinkel der Lichtquelle hervortreten beziehungsweise fast verschwinden.
Mit der Schräge des Einfallswinkels kann man auch die Tageszeit simulieren. Mithin malerische, lange Schlagschatten von Lattenzäunen und abenteuerlichen Dampflok-Shilouetten gibt es am frühen Vor- und am späten Nachmittag, wenn die (durch die Atmosphäre leicht gelb/rötlich/orange/bernstein gefilterte) Sonne extrem tief am Horizont steht. Auch die Farbe der Hintergrundkulisse mit Filterfolien anpassen oder einen triefend kitschigen Sonnenuntergang als Hintergrundfoto einblenden oder mit einem Diaprojektor projizieren ;-)
Wenn man für die Lampe, die das Führungslicht darstellt, auf der Anlage keinen stabilen Standpunkt findet, so macht das nichts: Merken, wo sie hingehört, und nachdem die Einstellungen an der Kamera erledigt sind - während der Selbstauslöser tickert (siehe Punkt "Ist die auch scharf?") - die Lampe an den richtigen Ort halten. Zum Zeitpunkt des Auslösens hat man schließlich beide Hände frei. Assistenten und Kabelhilfen sind bei der Modellbahnfotografie übrigens gern gesehen.
Sollen mehrere Objekte auf das Bild, deren Haupt-Ansichtsflächen nicht in gleicher Linie ausgerichtet sind, kann man auch mehrere, separat angeordnete Führungslichter verwenden, die allerdings nicht zu weit auseinanderliegen und sich nicht überlappen sollten (abtoren). Es entsteht dann nämlich eine entsprechende Anzahl von Schlagschatten mit verschiedenen Winkeln, und die wirken unnatürlich. Im Zweifelsfall lieber wieder zurück zu Punkt "Das Arrangement" und "Alles eine Sache des Standpunkts", - das Arrangement oder den Aufnahmestandpunkt ein wenig ändern und den optimalen Lichtverhältnissen anpassen. Flexibel bleiben.
Teile, die zu dunkel zu bleiben drohen (zum Beispiel schwarze Fahrgestelle im Schatten), mit einem Extra-Lichtstrahl oder hellen, reflektierenden Flächen oder Spiegeln außerhalb des genützten Bildausschnitts aufhellen. Prakisch einsetzbar sind dafür schwenk- und neigbare Kosmetikspiegel, wie sie fast jeder weibliche Erdenbürger der westlichen Hemisphären stets in Reichweite hat.
Der Hintergrund (Himmel, Landschaft, Gebirge), soferne er ins Bild kommt, sollte ebenfalls separat und gleichmäßig verteilt beleuchtet werden. Darauf achten, daß keine wirklichkeitsfremden Schatten auf die Fläche des Hintergrunds fallen (räumliche Distanz einhalten, Hintergrund absetzen). Seit kurzem gibt es spezialbeschichtete Folien als Foto-Hintergründe speziell für Modellbahnen zu kaufen (von http://www.modellbahn-hintergrund.com oder Fa. Wischermann), die über eine Lichtbox (schmaler Kasten mit Neonröhren) gespannt werden. Je nach Beleuchtung (von vorne: Tageslicht, von hinten: Dämmerung/Nacht) sind sie universell einsetzbar.
Wichtig ist auch, daß das Lichtstärkeverhältnis der einzelnen Lampen stimmt. Hier kann sich der Amateuer mit ein paar Dimmern (Vorsicht: stark gedimmte Glühbirnen produzieren einen Rotstich) oder - besser - dem Abstand der Lampen zu den Objekten helfen.
Bei Modellbahnen mit vielen Scheinwerfern an den Fahrzeugen, Innenbeleuchtungen in bevölkerten Personenwaggons, Straßenlaternen, Lichtsignalen, Bahnhofsbeleuchtung, erhellten Fenstern an den Häusern, Flutlicht auf den Rangiergleisen und so weiter wirken Nachtaufnahmen besonders faszinierend und stimmungsvoll! Auch die gelingen prächtig, wenn man sich an ein paar Regeln hält.
In diesem Fall den Raum völlig abdunkeln und die Lichtdusche (Grundlicht) sowie die Hintergrundbeleuchtung abschalten oder tief dunkelblau (Dämmerungsphasen: rötlich/violett) filtern (= "amerikanische Nacht"). Ziemlich hitzebeständige Farbfilterfolien und geeignete Halterungen gibt es im Scheinwerferzubehörhandel.
Dann gehört unbedingt ein Gegenlicht (Fachausdruck: "Spitzenlicht") eingestellt, und zwar von schräg gegenüber der Kamera in möglichst flachem Winkel, damit die äußeren Konturen der Objekte (die Spitzen) hervorgehoben werden; das Kameraobjektiv selbst sollte jedoch abgeschattet (abgetort) werden, damit kein störendes Streulicht (Linsenreflexe im Objektiv) auf dem Foto entsteht. Dieses Spitzenlicht macht sich übrigens auch bei der Tageslichtsimulation gut, darf allerdings nur sehr wohldosiert eingesetzt werden und die Sonne nicht überstrahlen (außer beim bewußten Gegenlicht-Effekt, da übernimmt das Gegenlicht die Rolle der Sonne); immerhin handelt es sich um ein Licht, das in der Natur nicht vorkommt. It's a fake, sieht aber sehr gut aus. (Die glänzenden Haare der Modelle bei den Shampoo-Werbespots kommen keineswegs von den phänomenalen Auswirkungen der beworbenen Produkte, sondern ausschließlich vom aufwendig eingerichteten Spitzenlicht.)
Die Führungslichter so weit abschwächen, dimmen oder fahlblau filtern (Mondlicht), daß die Flächen gerade noch erkennbar sind und nicht total absaufen. Für den eigentlichen Effekt sorgen dann die auf der Modellbahn eingebauten Lämpchen und Scheinwerfer, den man noch verstärken kann, indem man - ganz nach Geschmack - vor dem Objektiv einen Sternfilter befestigt (dann strahlen die Lichtpunkte so richtig schön) oder ein paar Nebelschwaden einziehen läßt (gleichmäßig verteilter Zigarettenrauch).
Trotz allem nur so wenig Scheinwerfer einsetzen wie unbedingt nötig! Viele Flächen der Modelle sind aus Kunststoff, der besonders durch sein spiegelndes Reflektionsverhalten enttarnt wird. Je mehr Lichtquellen, desto mehr Reflexe. Überstrahlungen auf solchen Flächen oder Kanten vermeiden. Oft hilft es schon, wenn man die Teile ein paar Millimeter verschiebt, anhebt oder neigt. Im Film- und Fotozubehör gibt es auch sogenannten Matt-Spray, der manchmal Wunder wirkt. Bildteile hingegen, die glänzen, schimmern oder spiegeln sollen (neuwertiges Metall, Wasser, manchmal auch Glas), entsprechend hervorheben.
Die hier angeführten Beleuchtungsratschläge gelten ganz allgemein auch für Videoaufnahmen. Wenn natürlich geschwenkt oder über weite Strecken mitgefahren wird, erhöht sich der Aufwand entsprechend.
Ist die auch scharf?
Recht heikles Thema bei den kleinen Objekten. Auch bei viel Licht schaffen es nicht mal sündhaft teure Profi-Kameras und -Objektive, selbst bei stehenden Loks, Waggons oder bei Landschaftsdetails eine Tiefenschärfe (= scharf abgebildete Gegenstände von nah bis fern, in die räumliche Tiefe gehender Schärfebereich) zu erzeugen, die den Abbildungen der 1:1-Vorbilder ähnlich ist. Spätestens an der mangelnden Tiefenschärfe erkennt man auch bei den perfektesten Nachbildungen, daß es sich um das Foto eines kleinen Modells handelt. Überall scharf sind Makro-Fotos praktisch nur dann, wenn sie bildfüllend Flächen abbilden, die streng planparallel zur Belichtungsebene angeordnet sind, und solche Aufnahmen sind auf die Dauer langweilig.
Daher gilt prinzipiell: Blendenvorwahl auf die kleinste Stufe (Blende fast zu, meistens F=8,0), Kamera auf ein (Mini-)Stativ oder eine andere stabile Unterlage und entsprechend länger belichten. Selbstauslöser verwenden, um ein Verwackeln beim Auslösen zu vermeiden, und um die Hände für andere Tätigkeiten freizuhaben. Großaufnahmen natürlich mit Makro-Einstellung.
Auch wenn man mit diesem fototechnischen Trick (Abblenden) einiges an Tiefenschärfe herausholen kann, sollte man sich ziemlich genau überlegen, wohin man den Fokus (den Schärfepunkt) legt. Bei einer schräg von vorne aufgenommenen Lok zum Beispiel wird dieser Punkt im vorderen Drittel liegen. Die Front sollte auf jeden Fall scharf sein, also die "bildwichtigen" Punkte, die auffallen. Hier muß man eventuell ein wenig experimentieren und mehrere Versuche starten. Geschickte Fotografen machen sich die Tiefenschärfeprobleme im Makro-Bereich zunutze, indem sie bestimmte Objekte bewußt vor unscharfem Hintergrund räumlich hervortreten lassen (in dem Fall kann man die Blende sogar wieder etwas öffnen), oder bildwichtige Objekte scheinbar zufällig in der Schärfenebene arrangieren.
Die Qualität der Linsen kann bei diesem Vorhaben gar nicht gut genug sein. Makro-Fotografie fordert sie auf's Äußerste. Dabei mag der mögliche Mindest-Abstand gar nicht mal die wichtigste Rolle spielen, - beim allzu nahen Rangehen wirft nämlich der Aufnahmeapparat selbst früher oder später einen Schlagschatten auf das Objekt, der Fotograf steht sich selbst im Licht.
Viele Kameras verfügen über einen optischen Zoom (Transfokator) im Makro-Modus, also eine Brennweitenvorwahl (digitale Zooms abstellen). Hier gilt dasselbe wie bei normalen Aufnahmen ohne Makro: Weitwinkel (niedrige Brennweitenzahl) läßt alles wuchtiger, tiefer, übertrieben räumlich gedehnt und eben "weiter" erscheinen, die Schärfe ist weniger kritisch. Gerade Linien beginnen sich unnatürlich zu biegen.
Wer Wert auf verzerrungsfreie und dokumentarisch einwandfreie Aufnahmen legt, sollte den "Normal"-Bereich der Brennweite bevorzugen (bei kompakten Zoom-Objektiven also genau zwischen Tele und Weitwinkel); hier ist auch die Lichtausbeute am höchsten. Die Verführung, bei Modellbahnen alles weitwinkelig zu fotografieren, ist groß. Aber es handelt sich um einen unnatürlichen Effekt, der ebenfalls eher sparsam eingesetzt werden sollte.
Tele-Einstellungen (hoher Brennweitenbereich) lassen alles flach, dicht, zweidimensional und räumlich zusammengeschoben wirken, der Bereich, in dem Objekte scharf abgebildet werden, wird noch schmäler. Das können wir bei der kleinen Bahn eher selten gebrauchen, obwohl eng gestaffelte Masten der Oberleitung zum Beispiel auch einen ganz eigenen Reiz ausüben können.
Christian Noetzel hat mit einem Trick den Tiefenschärfebereich erheblich ausgeweitet, indem er das Motiv in mehreren Schritten fotografiert und dabei jedes Mal den Tiefenschärfebereich verschiebt. Mit einer speziellen Software werden diese Bilder schließlich so zusammengesetzt, daß nur die jeweils scharfen Bereiche der Aufnahmen genutzt werden.
Als Software unter Windows können genutzt werden:
Ein Vergleich und einige Arbeitshinweise finden sich unter http://www.outbackphoto.com/workflow/wf_72/essay.html
Digicam als Scanner-Ersatz
Übrigens eignet sich eine Digitalkamera auch als Scanner-Ersatz, z.B. wenn ältere, nur als "Anlalog-Bild" vorliegende Fotos für die (eigene) Webseite verwendet werden sollen. Auch Dias lassen sich mit der Digicam so digitalisieren, ohne einen teuren Durchlichtscanner anzuschaffen: Seitenverkehrt auf ein transparentes Medium projeziert, werden sie einfach von der Rückseite der Projektionsfläche abfotografiert (allerdings ist hier mit der Belichtung zu experimentieren, da Dias oft einen sehr hohen Kontrast aufweisen!).
Nicht zuletzt können mit der Digitalkamera auch wesentlich größere Vorlagen abfotografiert werden, als das die meist nur DinA4-großen Scanner daheim schaffen.
Grundsätzlich sollte bei diesen Arbeiten mit möglichst großer Brennweite gearbeitet werden, da die billigen Objektive in Weitwinkeleinstellungen zur Verzerrung neigen.
Noch ein paar Anregungen
- Belichtungsreihen machen.
- Die eingebauten Belichtungsmesser messen das reflektierte Licht. Das muss in Summe nicht dem Neutralgrau entsprechen, auf das Belichtungsmesser geeicht sind.
- Auf den Weißabgleich achten. Einheitliche Leuchtmittel verwenden. Lampen- plus Neon-Licht überfordern jeden Weißabgleich.
- Auf die Kabel achten. Da bildet sich schnell ein unfallträchtiges Gewirr. Am besten mit wiederverwendbaren Kabelschlaufen ordentlich verlegen.
- Diskussion zu diesem Thema mit vielen kommentierten Beispielfotos in der Usenet-Newsgruppe [1] (hier der entsprechende und direkte Link zu Google-Groups), die auch der Betreiber dieser Website ist.
- Weitere Tips von einem Teilnehmer dieser Gruppe.
Und nun viel Spaß beim rechten Ins-Licht-Rücken der kleinen Schmuckstücke, sie haben es schließlich verdient! Ihr werdet sehen, der gewisse Aufwand zahlt sich aus. Was gibt es Schöneres, als die bildschönen Miniaturen in ansprechender Form völlig neu zu erleben? Gutes Gelingen!
Denn die einen stehn im Dunkeln und die andern stehn im Licht.
Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.
Berthold Brecht
Autor (Text & HTML): M. Simon | Wien, am 1. Mai MMIV
Ergänzungen: E. v. Eimeren