Märklin-Katalog, Neuheiten 1999

aus DerMoba, der Wissensdatenbank für Modellbahner
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  • Titel:Märklin-Katalog, Neuheiten 1999
  • Autor:anonym
  • Umfang:stattlich
  • Verlag:Gebr. Märklin & Cie. GmbH, Göppingen
  • Preis:kann hier nicht angegeben werden (keine Preisbindung)


Rezensent: Peter Popp


Inhalt

In knapp gesetzten Worten führt der offensichtlich gründlich mit der Materie vertraute Autor (warum er anonym bleiben will, ist nicht nachvollziehbar) durch die grosse Welt der kleinen und kleinsten Spielzeugbahn. Schon seit 140 Jahren produziert das Haus Märklin Spielzeug - im fussballbegeisterten Anhänger des TSV 1860 München (interessante Parallele: nur ein Jahr nach dem Beginn von Märklin) entsteht sofort die Assoziation "einmal Löwe, immer Löwe...". Eine kurze Episode nur am Beginn des Neuheitenkatalogs 1999 lässt diesen Zeitraum nochmal Revue passieren. Dann geht es Schlag auf Schlag: dialektisch stellt der Autor Dampflok um Dampflok, Diesellok um Diesellok, Elok um Elok usw. im Modell und Original gegenüber. Wie gesagt: der Autor (oder sind es mehrere?) ist vom Fach und kennt die entsprechenden Begriffe, egal wie exotisch: ob es sich um Control Unit, Buchli-Antrieb oder Kurzkupplungskinematik handelt, die Worte werden stets korrekt gesetzt und peitschen den nach mehr lechzenden Leser durch die Seiten.

Kaum ein Werk der Weltliteratur hat die Leser und Nichtleser so polarisiert wie der in regelmässigen Fortsetzungen und Supplements ("Neuheiten") erscheinende Märklin-Katalog. Wärend die Befürworter ihn in höchsten Tönen lobend bis zur Unbrauchbarkeit zerlesen - hier ist die schlechte Papier- und Einbandqualität zu tadeln - strafen ihn die Gegner mit krasser Ablehnung und gehen sogar an gut erhaltenen historischen Stücken, die verwunderlicher Weise immer wieder auf Flohmärkten auftauchen, kopfschüttelnd vorbei.

Dabei ist es meisterlich, welche sprachliche Vielfalt hier herrscht: einerseits einfache, klare Sprache, um Sachverhalte zu erläutern, teilweise indianisch-dadaistisch wie bei Karl May (klingt "Spitzensignal digital schaltbar" nicht wie "Bleichgesicht sprechen mit gespaltener Zunge?"), andererseits nur dem Wissenden sich erschliessende geheime Worte wie "...mit Digitaldecoder und geregeltem Hochleistungsantrieb", die an Werke wie Umberto Eco's Foucaultsches Pendel erinnern, die nur von dem Freimaurertum und Gnostikern nahestehenden Lesern in vollem Umfang begriffen werden können. Heftiger Gegensatz und befremdend dagegen manche Wortwahl, die nicht zum Gesamtwerk passt: Während man sich doch offensichtlich einerseits der Historie verbunden fühlt, bezeichnet man den Wissenden mit dem dem englischen entlehnten Begriff "Insider", ohne dass ein Grund dafür ersichtlich ist.

Bezeichnend ist die Verzweiflung, die das Werk gleichermassen bei Gegnern und Befürwortern hinterlässt, wenn auch verschiedene Motive deren Ursache sind: "Die Zugpackung wird in einer einmaligen Serie nur 1999 gefertigt" oder "einzeln nicht erhältlich" wirken auf den Begeisterten in einer Weise, die der Stelle in Karl May's Winnetou III nahe kommt, wo Winnetou dem meuchlerischen Schuss des Mörders erliegt und mit brechender Stimme "ich bin ein Christ" stöhnt. Wie anmassend wirken dagegen die sich in breitem Gelächter Bahn brechenden neidvollen Hasstiraden der Gegner, wenn sie auf Sätze wie "...jede Neuheit für sich ein optisches und technisches Neuwerk" oder "selbstverständlich mit gewohnter Qualität und Liebe zum Detail hergestellt" stossen.


Fazit

Die Studie des Werkes hinterlässt den Kritiker zerrissen. Soll er die Fachkundigkeit des Autors loben? Sind die Formulierungen von genialer Schlichtheit oder eher Ausgeburt eines schlichten, kindlichen Gemütes? Ein fader Beigeschmack bleibt vor allem, wenn man die zugehörige Ergänzung "empfohlene Richtpreise" zu Gesicht bekommt und sich fragen muss: war das alles? Oder überwiegt die Spannung, wie es weitergeht? Oder: warum hat sich das Werk trotz seines geringen Preises und der vielen schönen Bilder nicht bei breiteren Bevölkerungsschichten durchgesetzt? Sind die im Recht, die Parallelen zur Bibel sehen und nicht den Wortlaut, sondern den Glauben an erste Stelle setzen? Ich kann mich an dieser Stelle nur meinem Vorbild O.W. anschliessen und sagen: "Sollte uns das nicht zu denken geben? Ich glaube nein. Guten Abend..."