Fahrstromverdrahtung
Jede Modellbahnanlage muß mit Spannung versorgt werden. Dabei kommt es je nach Anlagengröße und Materialzustand (vor allem Schienen!) zu recht unterschiedlichen Ergebnissen im Betrieb. Wird eine Modellbahnanlage nur an einem Punkt mit der Betriebsspannung versorgt, ist ein geordneter Betrieb nicht in vollem Umfang gewährleistet. Aufgrund der lastabhängigen Spannungsabfälle kann es zu Ausfällen oder zum Stehenbleiben eines Modelles kommen, was unerwünscht ist. Dieser Artikel stellt die physikalischen Grundlagen zusammen mit praktischen Hinweisen vor und untersucht anschließend verschiedene Verkabelungsstrukturen.
Inhaltsverzeichnis
Physikalische Grundlagen
Spannungsabfall an Widerständen
Gemäß des Ohmschen Gesetzes
R = U / I mit R Widerstand in Ohm U Spannung in Volt I Strom in Ampere
fällt an einem Widerstand eine Spannung ab, die dem durch den Widerstand fließenden Strom proportional ist (U = I * R). Bei der Spannungsversorgung einer Modellbahn treten auf dem Weg vom Trafo zur Lok an verschiedenen Stellen Widerstände auf:
- Leitungswiderstand der Verkabelung zwischen Trafo und Gleis
- Übergangswiderstände zwischen zwei Gleisstücken (an den Schienenverbindern)
- Übergangswiderstand zwischen Gleis und Lok
- Übergangswiderstände zwischen Stecker und Muffen (sofern die Verkabelung steckbar ist)
Diese Widerstände werden nicht explizit als Bauteil eingebaut, sondern treten als "Nebeneffekt" der Verkabelung bzw. Stromabnahme auf. Sie lassen sich daher in der Praxis nicht generell vermeiden. Lediglich ihre Größe und damit ihre Auswirkung läßt sich durch verschiedene Maßnahmen verringern.
Die Spannungsverluste an den Leitungs- und Übergangswiderständen führen durch die umgesetzte elektrische Leistung
P = U * I = R * I2 mit P = Leistung in Watt
zu einer Erwärmung des Kabels bzw. des Kontakts.
Leitungswiderstand
Der Widerstand einer Leitung (Kabel) ist abhängig von
- dem Kabelmaterial
- der Länge
- dem Querschnitt (Durchmesser)
Dabei gilt folgender Zusammenhang:
R = rho * L / A mit R = Widerstand in Ohm rho = spezifischer, materialabhängiger Widerstand in Ohm * m L = Länge in m A = Querschnitt in m2 bzw. (wegen A = pi / 4 * d2) R = rho * L * 4 / ( pi * d 2 ) mit pi = 3,14 (Kreiszahl) d = Durchmesser in m
Diese Formeln gelten nur für Gleichstrom bzw. niederfrequente Wechselströme (bei Analogbetrieb und angenähert für Digitalbetrieb).
Material | spez. Widerstand |
---|---|
Kupfer | 0,018 Ohm * mm2/m |
Messing | 0,07 Ohm * mm2/m |
Eisen | 0,10 Ohm * mm2/m |
Die von den Modellbahnherstellern angebotenen Litzen zur Verkabelung besitzen nur einen Querschnitt von 0,14 mm2 (0,42 mm Durchmesser). Damit ergibt sich ein Widerstand von 0,13 Ohm/m (bei Kupfer). Die Beispielrechnungen im Abschnitt Verkabelungsstrukturen gehen hingegen von einem Kabel mit 1,5 mm2 aus, das nur einen Leitungswiderstand von 0,012 Ohm/m besitzt. Das zeigt, daß gerade Digitalanlagen, bei denen wegen der Vielzahl an zu versorgenden Lokomotiven höhere Ströme auftreten können, unbedingt mit entsprechend groß dimensionierten Leitungen betrieben werden müssen.
Es gehört definitiv ins Reich der Legenden, daß "Starkstromkabel" (also etwa Netzkabel für Haushaltsgeräte) nicht für Modellbahnen geeignet sind. Solche Netzkabel sind vielfach für Ströme bis 10 oder sogar 16 A ausgelegt und eignen sich daher sehr gut für die Verkabelung von Modellbahnen. Ihre Isolation bis 300 V ist zwar für die ca. 20 V überdimensioniert, was jedoch nicht schädlich ist. Bei der Verwendung solcher Netzleitungen für die Modellbahn dürfen jedoch für den Niederspannungsbereich keine normalen Schuko-Stecker o. ä. eingesetzt werden, damit nicht versehentlich eine Verbindung zwischen der lebensgefährlichen Netzspannung (230 V) und der Niederspannung hergestellt werden kann.
Querschnitt | max. Strom |
---|---|
0,75 mm2 | 13 A |
1,0 mm2 | 16 A |
1,5 mm2 | 20 A |
Übergangswiderstand
Bei Steckverbindungen (z. B. zwischen zwei Gleisstücken oder bei Stecker und Muffe) treten Übergangswiderstände im Bereich von einigen Zehntel Ohm auf. Diese lassen sich wie auch der Übergangswiderstand zwischen Gleis und Lok durch gute Pflege der Kontaktoberflächen bzw. Gleisoberflächen reduzieren. Bei Gleisen kann mit Metergleisen (Flexgleisen) die Anzahl von Kontaktstellen, an denen ein Übergangswiderstand auftritt, gegenüber Einzelgleisen verringert werden. Ausgeleierte Schienenverbinder sind durch stramm sitzende auszutauschen.
Bei Steckverbindungen muß auf die zulässige maximale Belastbarkeit geachtet werden. Wie oben beschrieben, erwärmen sich die Kontaktflächen aufgrund des Übergangswiderstands bei Stromfluß. Gerade im Digitalbetrieb mit höheren Strömen können insbesondere die von den Modellbahnherstellern angebotenen Miniaturstecker sich sehr stark erwärmen und mit den Muffen verschmelzen, wenn z. B. die Kontakte ein wenig ausgeleiert oder korrodiert sind. Nach Möglichkeit sollte daher auf Steckverbindungen zugunsten von Lötverbindungen verzichtet werden. Andernfalls muß auf Steckverbindungen mit entsprechender Belastbarkeit ausgewichen werden, die z. B. bei den Elektronikversendern erhältlich sind. In den Onlineshops sind vielfach auch die technischen Daten angegeben oder Datenblätter herunterladbar.
Verkabelungsstrukturen
Beispieldaten
Im Folgenden seien einige Rechenbeispiele besprochen, die die Auswirkungen verschiedener Verkabelungsstrukturen erläutert. Die in allen Rechenbeispielen übereinstimmenden Eckdaten sind wie folgt:
- Schienenoval mit 14,4 m Gesamtlänge
- Ohm'scher Widerstand für je 10 Schienen = 2,5 Ohm (gemessen wurde 0,5 Ohm für 2 gerade Schienen)
- Stromversorgungskabel mit einem spezifischen Widerstand von 0,1 Ohm pro 10 m (entspricht ungefähr einer Kabelquerschnittsfläche von 1,5 mm2)
- zusätzliche Einspeisungen wurden alle 10 Schienen ( = 1,8 m) vorgesehen.
- Referenzspannung ist 10 V (Trafoausgang)
- Referenzstrom ist 0,5 A (Gesamtstrom durch die Schienen)
- Die Masse wurde überall als konstant angesehen, jedoch gelten hier die selben Überlegungen. Die errechneten Differenzen zur Referenzspannung wären in erster Näherung doppelt so groß.
In den folgenden Abbildungen befinden sich die Meßpunkt an der selben Stelle, die Ohm'schen Widerstände sind in die Widerstandssymbole eingezeichnet. Auch für das Kabel wird das Symbol des Ohm'schen Widerstands mit Wert (m = milli = Wert durch 1000 dividieren) eingezeichnet. Die Einheit Ohm selbst ist in allen Abbildungen weggelassen. Man beachte dabei, daß der Leitungswiderstand des Kabels bei gleicher Länge nur weniger als 1/100stel des Übergangswiderstands der Schienen beträgt (18 mOhm = 0,018 Ohm gegenüber 2,5 Ohm bezogen auf 1,8 m bzw. 10 Schienen).
Solokreis
Ein typischer Solokreis ist im Bild schematisch dargestellt. Die Symbole (Ohm'scher Widerstand) werden anstelle jeweils 10 gerader Schienen verwendet, um mit den anderen Bildern vergleichen zu können. Der Spannungsabfall an jedem Meßpunkt läßt sich nach den Formeln für eine Parallelschaltung errechnen: 1/Rges = 1/R1 + 1/R2 + ....
A(Uabs) | B(Uabs) | C(Uabs) | D(Uabs) | E(Uabs) | Materialaufwand an Kabel in m |
---|---|---|---|---|---|
0 V (10 V) | 1,1 V (8,9 V) | 1,9 V (8,1 V) | 2,3 V (7,7 V) | 2,5 V (7,5 V) |
Ringleitung
Eine Ringleitung ist eine Versorgungsleitung, die parallel zum Gleis verläuft und in Abständen das Gleis mit Spannung versorgt. Der Ohm'sche Widerstand der Versorgungsleitung ist kleiner als der des Gleises womit die Spannung am Meßpunkt (Einspeisungspunkt) merklich erhöht wird. Die Formeln zur Errechnung der Spannungsabfälle sind die selben wie bei der Sololeitung, nur muß hier ein größerer Aufwand betrieben werden.
A(Uabs) | B(Uabs) | C(Uabs) | D(Uabs) | E(Uabs) | Materialaufwand an Kabel in m |
---|---|---|---|---|---|
0 V (10 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,02 V (9,98 V) | 0,02 V (9,98 V) | 14,4 m |
Sternleitung
Eine Sternleitung ist eine zentral vom Transfomator zu allen Einspeispunkten laufende Leitung. Auch hier bewirkt der kleinere Ohm'sche Widerstand der Versorgungsleitung eine Spannungerhöhung an den Meßpunkten. Ansonsten gilt das bereits bei der Ringleitung geschriebene. Anzumerken wäre hier noch, daß eine Sternleitung einen erheblichen Materialaufwand bedeutet.
A(Uabs) | B(Uabs) | C(Uabs) | D(Uabs) | E(Uabs) | Materialaufwand an Kabel in m |
---|---|---|---|---|---|
0 V (10 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,02 V (9,98 V) | 0,03 V (9,97 V) | 0,03 V (9,97 V) | 28,8 m |
Baumleitung
Die "Baumleitung" kann als Mischung von Stern- und Ringleitung aufgefaßt werden. Der Materialaufwand ist theoretisch sehr gering im Vergleich mit den anderen Verkabelungsarten. Praktisch liegen die Werte je nach Anlage bis zu 50% höher als angegeben, weil die Verbindungen nicht mitgezählt wurden.
Schaltungsbezeichnung | A(Uabs) | B(Uabs) | C(Uabs) | D(Uabs) | E(Uabs) | Materialaufwand an Kabel in m |
---|---|---|---|---|---|---|
0 V (10 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,02 V (9,98 V) | 0,03 V (9,97 V) | 0,04 V (9,96 V) | 7,2 m |
Vergleich
Die skizzierten Schaltungen werden in der folgenden Tabelle zusammengefaßt und vergleichen:
Schaltungsbezeichnung | A(Uabs) | B(Uabs) | C(Uabs) | D(Uabs) | E(Uabs) | Materialaufwand an Kabel in m |
---|---|---|---|---|---|---|
Solokreis | 0 V (10 V) | 1,1 V (8,9 V) | 1,9 V (8,1 V) | 2,3 V (7,7 V) | 2,5 V (7,5 V) | |
Ringleitung | 0 V (10 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,02 V (9,98 V) | 0,02 V (9,98 V) | 14,4 m |
Sternleitung | 0 V (10 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,02 V (9,98 V) | 0,03 V (9,97 V) | 0,03 V (9,97 V) | 28,8 m |
Baumleitung | 0 V (10 V) | 0,01 V (9,99 V) | 0,02 V (9,98 V) | 0,03 V (9,97 V) | 0,04 V (9,96 V) | 7,2 m |
Wie der Tabelle zu entnehmen ist, kann der Spannungsabfall beim Solokreis groß sein. Hat man nun ein schwergängiges Modell, das erst ab einer Spannung von 9 V anfährt (bei schlechter Wartung der Modelle keine Seltenheit!), so ist eine gute Versorgung mit elektrischer Leistung notwendig. Es wird empfohlen, mindestens alle 8 geraden Gleise eine Einspeisung vorzunehmen, um diese Effekte klein zu halten; bei altem Schienenmaterial sogar in noch kürzerem Abstand (alle 6 Gleise). Somit erniedrigt sich der Spannungsabfall auf unter 0,5 V, womit ein ordnungsgemäßer Betrieb gewährleistet werden kann. Während sich die anderen Konzepte (Ringleitung, Sternleitung oder Baumleitung) in Hinblick auf den Spannungsabfall in der Praxis kaum unterscheiden, ist der der Kabelbedarf vor allem bei der Sternleitung erheblich größer.
Praktische Hinweise
Für die Verkabelung einer Anlage im Analog- oder Digitalbetrieb ergeben sich folgende Empfehlungen:
- Sowohl der Hin- als auch der Rückleiter (Masse) sind in regelmäßigen Abständen an das Gleis anzuschließen. In welcher der vorgestellten Strukturen die Verkabelung erfolgt, ist im Hinblick auf den Spannungsabfall nachrangig. Die Verkabelung soll mit Querschnitten ab 0,5 mm2 aufwärts erfolgen.
- Bei einer Ringstruktur sollte der Ring möglichst nicht geschlossen werden. Ein geschlossener Ring macht die Störungssuche bei einem Kurzschluß kompliziert, weil die Kurzschlußstelle von zwei Seiten versorgt wird. Daher reicht es zum Eingrenzen der Störungsstelle nicht aus, nur eine Leitung aufzutrennen.
- Metergleise reduzieren die Anzahl der Gleisübergänge, an denen ein Übergangswiderstand auftritt. Sie reduzieren somit den Spannungsabfall.
- Bei Steckverbindungen ist man auf industrietaugliche Systeme angewiesen, die entsprechend der maximalen Belastbarkeit ausgewählt werden müssen.
Bei Digitalanlagen sind zusätzlich folgende Punkte zu beachten:
- Probleme im Digitalbetrieb sind häufig auf eine unzureichende Fahrstromverkabelung zurückzuführen (zu hoher Spannungsabfall, Flankensteilheit nicht ausreichend, ...) Auch die Kurzschlußerkennung der Booster setzt ausreichend geringe Leitungs- und Übergangswiderstände voraus.
- Bei Digitalbetrieb wird empfohlen, die Leitungen für die Versorgungsspannung möglichst parallel zum Gleis zu führen. Außerdem sollten Hin- und Rückleiter verdrillt werden, um Störungen in anderen elektronischen Geräten entgegenzuwirken.
- Bei einer Neuverkabelung einer Digitalanlage sollten beide Schienen an den Boosterbereichsgrenzen getrennt werden. Solche Abschnitte sind mit jeweils einer eigenen Verdrahtung entsprechend den beschriebenen Strukturen zum Booster zu führen. Es darf keine gemeinsame Masseleitung für mehrere Boosterbereiche entstehen. Damit hält man sich die Option offen, auch Booster mit H-Brücke einsetzen zu können. Gleichzeitig ist dafür gesorgt, daß die maximale Strombelastung einer Leitung nur von der Leistung eines Boosters bestimmt wird. Bei einer gemeinsamen Massenleitung würden sich die Ströme addieren und eine sehr viel dickere Leitung erfordern.
Zusammenfassung
Bei der Spannungsversorgung der Modellbahngleise muß für einen ordnungsgemäßen Betrieb in kurzen Abständen eingespeist werden. Dazu existieren verschiedene Verkabelungsstrukturen, die sich im wesentlichen durch den Materialeinsatz (Kabellänge) unterscheiden. Außerdem ist auf ausreichende Querschnitte der Kabel zu achten. Metergleise reduzieren die Anzahl der Kontaktstellen, an denen ein Übergangswiderstand auftritt. Steckverbindungen sollen nach Möglichkeit vermieden und durch Lötverbindungen ersetzt werden. Sofern Steckverbindungen eingesetzt werden sollen, muß man auf professionelle Stecksysteme zurückgreifen. Die von der Modellbahnindustrie angebotenen Kabel und Stecker sind für einen sicheren Betrieb nicht ausreichend dimensioniert.
Dieser Artikel ist auf der Basis des Abschnitts "3.5 Verkabelung" der alten "FAQ H0 AC" von Stephan-Alexander Heyn entstanden, dem insbesondere die Beispiele für die Verkabelungsstrukturen entnommen sind. Der Artikel ist neben den physikalischen Grundlagen ergänzt durch einige aktuelle Diskussionsergebnisse zum Thema Digitalverkabelung.